Winternot

Immer wieder bekomme ich einen Satz zu hören. Es gibt doch so Unterkünfte für Obdachlose. Da können die doch hin und müssen nicht draußen sein.

Die größten Unterkünfte haben nur über einem gewissen Zeitraum auf. Berlin hat bereits jetzt ihre Arbeit aufgenommen. Gucke ich die letzten Tage auf das Wetter ist das eine absolut richtige Entscheidung. Jetzt wird es richtig hart auf der Straße.

Am 01. November startet Hamburg sein Winternotprogramm. Der Erfrierungsschutz ist dazu da, dass Menschen nicht in unseren Hauseingängen erfrieren und wir morgens auf dem Weg zur Arbeit über Tote steigen.

Sorinel, so hieß der erste Kältetote des vergangenen Winters. Es folgten viele weitere Menschen die den Winter nicht überlebten. Menschen sterben in unserer Stadt wegen der Kälte, genau neben unseren Füßen, dort wo wir gehen.

Die Stadt hat bei einer Erhebung letztes Jahr 1910 Obdachlose gezählt. In diesem Jahr hat Hamburg wie im letzten Jahr um die 780 Plätze geschaffen, zwei davon in großen Gebäuden wo 650 Menschen unterkommen werden. Das ist leicht auszurechnen. Es fehlen über 1000 Schlafplätze.

Jeder Mensch der sich nicht unter vielen Menschen wohl fühlt wird nie den Weg in so ein Sammelbecken machen. Genau so werden andere nie ihren Hund weggeben aber mit ihm haben sie keinen Zutritt. Manche werden einfach ausgeschlossen. Ich selber stand noch im Jahr 2016 an um ein Bett für die Nacht zu kriegen.

Es läuft so ab: Mit hunderten steht man im Pulk und wartet, bis der Bauzaun geöffnet wird. Zuerst geht es zur Anmeldung. Dort kriegt man seine Bettkarte. Sie ist sehr bildlich. Man sieht die Containernummer und das zugeteilte Bett ist angekreuzt. Container E. Bett 2.

Vierzehn Quadratmeter, darin stehen vier Etagenbetten aus Metall.

Mit sieben fremden Männern in einem Raum. Am Anmeldehaus gibt es Bettzeug, ein kleines Handtuch und ein Becherchen mit Duschgel. Den Sanitärcontainer teilt sich die Belegschaft einer ganzen Etage. Die Hygiene wird zum Problem bei so vielen Menschen und so wenig Platz. Das gilt für die Waschräume sowie für die Zimmer.
Es gibt ein Fenster im Container. Es bleibt zu. Die Heizung wird auf die höchste Stufe gedreht. Draußen wird ausgesperrt. Die feuchten Sachen liegen darauf, der Geruch breitet sich im Zimmer aus.

Es gibt keinen Schrank oder Spind. Meine Tasche lege ich unter meine Beine. Darin war meine letzte Habe, alles was ich hatte. Mit dem Körper liege ich auf der Seite. Mit einem Auge bin ich wach. Keiner weiß, was passiert. Geklaut wird bei einfachen Gelegenheiten. Einer raucht Kette und läuft ständig raus und wieder rein. Zwei andere husten sich die Lunge aus dem Leib, während ein anderer am Telefon unter mir schreit. Hier findet man kein Schlaf, nicht einmal richtig Ruhe.

Darum ist das Winternotprogramm auch in den letzten Jahren nie ganz ausgelastet. Es hat sich ein bisschen etwas geändert. Es ist dennoch zu wenig. Das Winternotprogramm bietet nur das Minimum, wie so oft wenn es um Obdachlosigkeit geht, gibt man sich damit zufrieden. Das ist schließlich immer noch mehr als die Menschen sonst haben. Die Standards sind nicht würdevoll. Da würde ich ansetzen. Eine niedrigere Bettbelegung. Bessere Hygiene und mehr Zeit.

Seit Jahren werden Forderungen ignoriert, das Notprogramms ganzjährig anzubieten oder zumindest den Winter durchgehend geöffnet zu haben. Die Plätze aufzustocken und allen Menschen die Platte machen unterzubringen und nicht nur einen Teil.

Für die Menschen, die ein Bett in der Unterkunft ergattert haben, geht es morgens wieder raus, um 8:30 Uhr. Tagsüber müssen sie schauen, wo sie bleiben. Kälte und Nässe verziehen sich nicht tagsüber. Die Menschen werden oft krank und schleppen das wieder in die Container zurück. Ab 17.30 gehen die Türen wieder auf. Gehörst du zu denen die kein Platz bekommen haben, heißt es leider draußen bleiben.

Das ist kein Leben. Diesen Winter werden wieder Menschen sterben. Es gibt eine Lösung gegen Obdachlosigkeit. Die Antwort ist erst Wohnen. Das Prinzip Housing First.

Autor: Dominik Bloh

Foto: © Dominik Bloh