
17 Jan Pfandgut
Nach langer Zeit war ich mal wieder im Süden. Ich bin spazieren gewesen und möchte am liebsten sagen, dass ich auf einen Berg gelaufen bin, aber Hügel trifft es glaub ich besser. Ich bin die Serpentinen bis nach oben gelaufen. Es hat gedauert bis ich oben war. Von dort aus sah ich in das Tal hinein und empfand etwas, das ich schon lange nicht mehr spürte. Es war das Gefühl von Heimat.
Ich sah einen Mann noch ganz am Anfang der Steigung. Er trug einen orangenen Overall, wie Menschen von der Müllabfuhr ihn tragen. Er hatte einen großen Rucksack über der Schulter, aus dem eine Isomatte schaute. In der Hand hielt er eine Tüte. Er ging langsam den Hang hinauf und blickte in die Büsche. Es ist ein weiter Weg bis hier hoch und hier gibt es nichts zu finden.
Ich kam von der anderen Seite hoch und wusste, dass da genauso wenig zu holen war.
In dem Moment dachte ich mir, da überquert jemand einen Berg für nichts. Mir wurde klar, dass eine Sache, die in der Stadt selbstverständlich ist, an manchen Orten nicht so einfach zu kriegen ist. Pfandflaschen. In Großstädten gibt es Touri-Spots, Einkaufsstraßen, Partymeilen. Alles Orte, an denen man gut Pfand sammeln kann. Im Park Fiction stellen Menschen alles Leergut an einer Stelle ab, an der man sich die Flaschen nehmen kann. Wie ist es für jemanden, der solche Strecken macht, ohne dass eine Flasche in der Tüte landet? Für Menschen in Städten ist Pfandsammeln eine Einkommensquelle und Ihre Arbeit.
Ich mache mich auf den Rückweg. Ich wollte dem Mann gerne etwas geben, hatte ihn aber aus den Augen verloren. Im Ort begegnen wir uns wieder. Er läuft mir genau in die Arme. Ich halte ihn an. „Hier gibt’s nicht viel zu holen, oder? „, frage ich ihn. Er lacht, nicht ganz mit offenen Mund, denn die Zähne sind zum Teil herausgebrochen. Er hat dunkle Haare und einen langen Bart. Er sieht mir ein bisschen ähnlich und ich sehe mich wieder an seiner Stelle stehen.
Wir reden und ich erzähle ihm, dass ich seinen Weg beobachtet habe und mich gefragt habe, wie schwer es ist hier zu überleben, wo so wenig Menschen sind. Ich möchte ihm Geld geben. Er möchte eigentlich nur Tabak, als ich ihn frage ob er etwas braucht. Ich gebe ihm beides. Seine Augen fangen an zu leuchten.
Ich habe seinen Gesichtsausdruck noch immer gut in Erinnerung. Es kann sein, dass er mich bereits vergessen hat. Ich denke oft noch darüber nach, dieser eine Blick voller Dankbarkeit und Freude hat mir viel gegeben.
Autor: Dominik Bloh
Foto: © Dominik Bloh