Gastbeitrag: Pandemie

Offener Brief zur Situation der Menschen ohne Obdach in der SARS-CoV2 Pandemie:

Viele ehren-, aber auch hauptamtliche Hilfen sahen und sehen sich gezwungen, ihre Angebote einzustellen. Das umfasst z.B. Straßensozialarbeit, Tagesaufenthalte, regelmäßige Speisenangebote, die Ausgabe von Artikeln des täglichen Bedarfs, Hygieneartikeln, Kleidung, Angebote zu Dusch- und Körperpflegemöglichkeiten, psychosoziale Betreuung, medizinische Versorgung und vieles mehr.

Faktisch ist den obdachlosen Menschen, die von ihnen stark frequentierte »Infrastruktur«, zu großen Teilen weggebrochen.

Diese Situation ist entstanden, da sich die Anbietenden der oben genannten Hilfeleistungen zur Zeit außer Stande sehen, ihre Gäste, aber auch Helfer*innen adäquat zu schützen. Social distancing ist oft rein räumlich, aber auch durch die schiere Anzahl der Hilfsbedürftigen nicht realisierbar und Schutzkleidung fast nicht mehr vorhanden oder war nie verfügbar für die einzelnen Projekte. Die dringend gebotene Verlangsamung der Infektionsgeschwindigkeit macht Social distancing ebenso unabdingbar, wie der Schutz von Risikogruppen.

Menschen ohne Obdach zählen überproportional häufig zur besonders gefährdeten Gruppe der vorerkrankten und/oder immungeschwächten Menschen, die Covid 19 eher so treffen würde, dass der Verlauf komplikationshaft werden könnte.

Der schwierige Zugang zum medizinischen Regelsystem verschärft diese Problematik.

In dieser Pandemie müssen obdachlose Menschen dringend geschützt werden. Sie können die Empfehlungen zur Händehygiene unmöglich einhalten und sind auf der Straße ständig mit kontaminierten Dingen und mit vielen anderen Menschen in Kontakt.

Daraus resultiert ein erhöhtes Infektionsrisiko für die ohnehin geschwächten Menschen auf der Straße. Ebenso muss man bei einem durch Tröpfcheninfektion und sich im nasopharyngeal Raum befindlichen Virus, wie SARS-CoV2, davon ausgehen, dass obdachlose Menschen diese Infektion durch die nicht vorhandene Möglichkeit, sich zurückzuziehen, auch ggf. weiter geben würden.

Eine Verbesserung der Gesamtsituation für diese große Gruppe ist aus unserer Sicht durch die noch vorhandenen Angebote nicht zu erreichen und auch nicht ressourcenschonend (Schutzkleidung).

Die Menschen sind zur Zeit noch schutzloser als vor der Pandemie und leben ausgerechnet in der Stadt mit der höchsten Inzidenz von Coronainfektionen, die aktuell bei 23,5 pro 100 000 Einwohnern liegt. Vor drei Tagen war sie 8,8.

Die Menschen auf der Straße brauchen jetzt unbürokratisch und vor allem schnell eine dezentrale Unterbringung mit ständigem Zugang zu sanitären Einrichtungen.

Irina Götz,
Beirat GoBanyo.

Ärztin für innere Medizin
Gesundheitsmobil Alimaus
Hamburg, 19. März 2020