
20 Apr Auszeit von der Straße
Ich laufe über den Kiez und suche nach bekannten Gesichtern. Es wurden Hotels geöffnet. Es gibt noch genügend freie Zimmer. Eine Adresse aufschreiben und los. So einfach war es noch nie. Dort angekommen wartet ein eigenes Zimmer mit Bad für einen Monat. Eine Auszeit von der Straße.
Das so etwas möglich ist, liegt vor allem an einer Spende von einem großen Konzern. Ein schönes Geschenk, das aber auch ein Beigeschmack hat. Viele Menschen auf der Straße rauchen. Gerade in dieser Zeit sind sie auch deswegen besonders gefährdet. Und jetzt hilft ausgerechnet ein Tabakkonzern Menschen beim Überleben.
So vieles daran finde ich paradox. Dass die Stadt allerdings die Unterbringung in Hotels kritisiert, ist für mich unverständlich. Die Begründung der Behörde, es sei keine ausreichende Hilfe, Obdachlosen ein Dach über den Kopf zu geben, sagt alles über ihre Haltung aus.
Der Begriff „obdachlos“ erklärt sich für mich ganz selbstverständlich. Ein Mensch ist ohne Obdach. Da ist ein Dach über den Kopf zu kriegen die einzig richtige Lösung des Problems.
Dass viele dann noch weitere Hilfen brauchen – Beratung, Therapie, Unterstützung – ist klar. Aber kein Argument dafür, den ersten Schritt nicht zu tun.
Die letzten Wochen machen umso deutlicher klar, welchen Standpunkt die Stadt hat und dass sie daran festhält, auch wenn viele Veränderungen verlangen. Das wird noch ein weiter Weg. Bis dahin ist es wichtig, das zu tun, was möglich ist.
Inzwischen sind wir an fünf Tagen in der Woche draußen, um am Millerntor Duschen anzubieten. Einmal gemeinsam mit dem Bäderland-Schwimmbad und dann natürlich mit unserem Duschbus. Neulich kam jemand mit einem fetten Grinsen aus dem Bad und riss die Arme vor Freude in die Luft. Es sind die kleinen Siege, die man feiert.
Die Menschen sind erleichtert, sich duschen zu können. Auf dem ganzen Kiez zum Beispiel gibt es keine Möglichkeit sich zu waschen oder nur auf das Klo zu gehen. Die Behörde hat gehandelt und fünf Dixi-Klos aufstellen lassen.
Wir merken auch, dass mehr Menschen als sonst zu uns kommen. Wir sind oft voll ausgelastet. Viele haben eine weite Strecke auf sich genommen.
Es gibt noch mehr Menschen, die uns aber nicht erreichen können. Darum versuchen wir Ihnen entgegenzukommen. Seit letzter Woche haben wir einen Shuttle-Bus gemeinsam mit NestWerk e.V., der Menschen abholt und zurückbringt. So können wir auch Menschen an weiter entfernten Orten erreichen.
Es ist bemerkenswert, wie viel zur Zeit machbar ist. Ich sehe und höre von so guten Aktionen, die gestartet werden. Das macht Hoffnung. Zusammen können wir Großes schaffen.
Autor & Foto: Dominik Bloh